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Das Gemeindebad

Die Gemeindebadgasse bis 1939
1848, 1939
Die Gemeindebadgasse 1. Teil
von Karl Urban
Wiesbadener Tagblatt vom 13. April 1939
Von der erweiterten vorderen Langgasse machen wir einen kurzen Abstecher zu dem nahen Gemeindebadgäßchen mit dem Gemeindebad. Damit beschreiben wir ein Fleckchen Erde, das uns zu Anfängen des mittelalterlichen Wiesbadens zurückführt. Schon bald nach der Entstehung des alten Städtchens wurden auch Siedlungen auf dem Gebiete der vorderen Langgasse errichtet. Die nahe Schützenhofquelle wurde schon frühzeitig zum Baden benutzt, und so entstand in ihrer Nähe ein primitives Bad, das der Allgemeinheit diente. Seine Entstehung reicht jedenfalls schon ins 11. Jahrhundert zurück und somit darf das Gemeindebad als eines der ältesten Bäder Wiesbadens betrachtet werden.
Das Gemeindebad führte in früheren Zeiten auch den Namen „Das gemane Bad“. Burger Bad, Mane- oder Manne-Bad, auch wurde es Armenbad genannt. G. A. Schenk berichtet 1758 noch von Häusern, die auf dem gemeinen Bad lägen. Das alte Gemeindebad ist jedenfalls ein sogenanntes Seelenbad. Nach den Kreuzzügen stifteten fromme wohltätige Personen vielfach öffentliche gemeine Badehäuser für arme Leute, die vom Aussatz befallen waren, der damals in Deutschland eingeschleppt und verbreitet worden war. Gewöhnlich wurde nach dem Bade den Armen ein Mahl gereicht. Da solche Stiftungen als ein gottgefälliges Werk zum Seelenheile der Stifter erfolgten, so nannte man solche Bäder auch „Seelenbäder“. Auch im nahen Rheingau, in Eltville, Hattenheim und im Kloster Johannisberg gab es Seelenbäder. So ist jedenfalls auch in Wiesbaden das Gemeindebad aus dem Seelenbad entstanden. Das Badewesen gehörte im Mittelalter zu den Regalien, also zu den grundherrlichen, privilegierten Rechten. Daher war auch das Wiesbadener Gemeindebadhaus im Besitz der Großen, die es zeitweilig an Bürger übertrugen, später auch gegen Zins verpachteten.
Die älteste Nachricht aus dem Jahre 1481 berichtet, daß „Ensel uff dem gemeinen Bad“ Besitzer war. Graf Adolf III. (1480 – 1511) verlieh, um seine Schuld abzutragen, das gemeine Bad für jährlich 4 Gulden an den Bürger Georg Scherer. 1527 wurde das Bad an Peter Heuß verpachtet gegen 5 Albus je Woche. Das Inventar bestand aus „drei Eimer, zwei Kobelgin und 25 Messingene Schröpfköpfe“. Das Inventar war also sehr dürftig und ebenso primitiv war auch das Badegebäude. Man darf sich kein Bauhaus vorstellen im heutigen Sinne. Es hatte nur einen gemeinschaftlichen Baderaum für beide Geschlechter. 1686 befahl der Fürst August eine Untersuchung der Zustände im Gemeindebad und verfügte die Anbringung eines Holzgitters nebst Bretterwand von oben bis unten im Baukasten, da durch das gemeinsame Baden eine sittliche Anstößigkeit erregt wurde.


Eine interessante Badeverordnung aus alter Zeit

Einen Einblick in die früheren Zustände im Gemeindebad gibt uns die im Jahre 1781 erlassene Verordnung des Stadtrats Wiesbadens, die wir nur auszugsweise wiedergeben:

„Nachdem es schon mehrmalen geschehen, daß in dem diahiesigen gemeinen Burger-Bad Menschen während des Badens ertrunken, dieses aber hauptsächlich der nicht genugsamen Aufsicht und Unterordnung und darunter vornehmlich auch dem zuzuschreiben, daß öfters Leute ganz allein, und auch ohne Licht hineingelassen werden, in welch letzterem Fall dann auch oftmals vieler Unfug getrieben wird.
Es wird eher verordnet:

1. Daß der Pächter das Bad stets verschlossen halten und in den Sommermonathen May, Junii, August und September, Morgens von 4 – 9 Uhr, und des Nachmittags von 3 – 9, in den längsten Tagen bis 10 Uhr, in denen Monaten October, November, December, Januaris, Februar, März, April von 8 – 10 und von 3 – 8 Uhr gebadet werden soll.

2. Dem, der sich baden will, darf nicht der Schlüssel anvertraut werden, nur der Pächter darf auf- und zuschließen.

3. Eine Person darf niemals allein baden, er muß Geduld erweisen, bis wenigstens zwei Personen im Bad sind.

4. Zur Nachtzeit sollen die Badenden mit einer Laterne versehen sein. Für Licht und Bad sind drei Kreuzer zu zahlen.

5. Juden sollen in dem Bad nicht baden.

6. Badegäste sollen sich nicht unterstehen, in dem gemeinen Bade zu schröpfen.

7. Der Pächter muß während der Badezeit auf Zucht und Ordnung halten und Acht haben, daß niemand verunglückt.

8. Jedes Bad soll wöchentlich zweimal abgelassen und gereinigt werden, und

9. jeder Badegast soll vor dem Hinausgehen sich völlig bekleiden und sich gegen Luft und Kälte verwahren.“

Diese für die damalige Zeit notwendigen Bestimmungen werden wohl heute von dem Leser mit humorvollem Schmunzeln und Kopfschütteln beäugt.
Selbst zu Anfang des 19. Jahrhunderts war das Gemeindebad noch sehr bescheiden und dürftig. Georg E. Ebhardt berichtet 1817: „Das gemeine Bad liegt inseinem Winkel am Schützenhof und sieht eher einem schlechten Schuppen als einer Badeanstalt ähnlich, Es ist im Grunde nur Ein-Bad, welches durch eine hölzerne Wand in zwei Teile für die beiden Geschlechter abgesondert ist. Die Bürger können sich dieses Bades unentgeltlich bedienen, fremde Dienstboten und Tagelöhner zahlen aber für jedes Bad einen Kreuzer. Seine Quelle hat es mit dem Schützenhof gemeinschaftlich, und die Aufsicht darüber ist einem Manne überlassen, der dieses gemeine Bad in Pacht hat. Es wäre zu wünschen, daß diese Anstalt etwas anständiger ausgeführt würde.“
Dieser Wunsch sollte in Erfüllung gehen. Das Gemeindebad, ein schlichtes zweistöckiges Gebäude wurde umgebaut. Das gemeinschaftliche so oft kritisierte Bad verschwand und an seiner Stelle errichtet man acht Einzelbäder. Diese Umgestaltung bedeutete für das Gemeindebad eine wesentliche Verbesserung. Außerdem erhielt das Badhaus eine Wohnung für den Pächter mit vier Zimmern und Kammern, eine Küche, einen Speicher und im Hofe einen Schweinestall. Auch nachdem das Bad in städtischen Besitz übergegangen war, wurde es nicht in eigener Regie geführt, sondern einem Pächter übertragen. Noch im Jahre 1868 wurde das „leihfällige“ werdende städtische s.g. Gemeindebadehaus auf die Dauer von zwei Jahren verpachtet. Der Pächter des Gemeindebades, der es bis zur Niederlegung im Jahre 1887 in Pacht hatte, war Luis Brenner, der es mit seiner Frau und Tochter betreute. Bemerkenswert ist, daß das Gemeindebad vor seiner oberen westlichen Hausfront einen öffentlichen Trinkbrunnen besaß, der jedoch nicht identisch ist mit dem Trinkbrunnen in der Ecke des Gemeindebadplätzchens, der vor zwei Jahren beseitigt wurde.


Die Thermalwasserversorgung

Eine Eingabe des Bauaufsehers Martin am 30 Juli 1860 an die Bürgermeisterei Wiesbaden gibt uns Aufschluß über die Thermalwasserzuführung zum Gemeindebadhaus und dem öffentlichen Trinkbrunnen. Martin berichtet: „Das Gemeindebadhaus, sowie der Brunnen vor dem Gemeindebadhaus, erhält das Wasser aus der lm Schützenhof befindlichen warmen Quelle. Die Quantität des Wassers von dieser Quelle ist in dem Bauhaus zum Schützenhofe getheilt und wird dasselbe zur Hälfte dem Badhaus zum Schützenhof und zur Hälfte in dem Gemeindebadhaus benutzt. Das Wasser, welches aus der Schützenhofquelle nach dem Gemeindebadhaus abgeleitet ist, theilt sich in dem Gässchen und geht von dieser Teilung ein Kanal in das Gemeindebadhaus und weiter ein Kanal zum öffentlichen Gebrauch (Trinkbrunnen) auf der Straße. Die Einrichtung des Einlaufes ist so beschaffen, daß wenn auch das Wasser in das Bauhaus läuft, doch beständig an dem Brunnen für den öffentlichen Gebrauch ausläuft.“ Zwischen dem Pächter des Gemeindebades und dem Ökonomen des Schützenhofs entstanden des öfteren Differenzen wegen der mangelnden Zuleitung und zeitweiligen Absperrung des Wasserzulaufs zum Gemeindebad. Auch der öffentliche Laufbrunnen versagte öfters, da der Pächter Brenner das Wasser abschlug. Die Stadtbehörde schlichtete den Streit und verbot unter Strafe jede Absperrung der Wasserläufe.
In den 80er Jahren wurde das Gemeindebad noch amtlich von der Stadtbehörde als „Armenbad“ bezeichnet. Die Zustände waren auch damals noch sehr mißlich und wiederholt beschwerten sich die Anwohner über die zu Tage getretenen Missstände. 1880 erhielt das Gemeindebadhaus zum letzten Male eine gründliche Überholung und bekam noch einmal ein neues Röcklein. Es wurde durch den Tünchermeister Heinrich Kreppel neu verputzt und angestrichen. Die sanitären Verhältnisse waren trotzdem nicht die besten. Bis 1889 hatte das Gemeindebadhaus nicht einmal eine Abortgrube. Die Anwohner beschwerten sich über den üblen Geruch der den Abortanlagen entströmte, da die Kanalisation noch fehlte. Oberbürgermeister Lanz berichtete daher am 1. Dezember an die Königl. Kreisbau-Inspektion über die maßständige Abortanlage im Hofe des Gemeindebades und wies auf die Schwierigkeit der Anlage einer tiefen Grube hin, da die Abwasser leicht mit der Thermalleitung in Kollision geraten könnte. Es wird daher die Aufstellung von Abführtonnen (fosse mobile) erwogen. Endlich wurde doch die Grube genehmigt und angelegt.
Kaum war dieses „Grand Malheur“ beseitigt, so traten neue Beschwerden ein. Im Hofe des Gemeindebades entwickelte sich wiederum seit einiger Zeit ein herrlicher Geruch, dessen aromatischen Düfte bis zur Langgasse und zum Michelsberg drangen. Und so kam es, daß mehrere Bürger der Langgasse an die Polizeidirektion eine Beschwerde einreichten über den Gestank im Gemeindebadhaus: „Daselbst liegen stets 6 – 8 Schweine in zwei kleinen Ställen in Nacht, und das „Gespül“ ist so angehäuft, daß die ganze Gegend bis in die Langgasse und Michelsberg verpestet ist“. Der Lithograf Carl Isselbächer, Gemeindebadgäßchen 12, berichtet ebenfalls: „Brenner (der Pächter) hat seit Jahren ein Gespül und Getränkehandel und holt aus mehreren Hotels die Abfälle zusammen. Bei der großen Hitze kommt es vor, daß er die Abfälle 14 Tage bis vier Wochen in hölzernen Gefäßen aufhebt und zu Dung verfaulen läßt. In der luftleeren Ecke entsteht ein jeder Beschreibung spottender Gestank.“ Die Übelstände wurden untersucht und und beseitigt. Doch nun beschwerte sich Frau Brenner, die Frau des Pächters im Gemeindebad, daß in der letzten Zeit aus dem Hause einer Restauration am Michelsberg die Nachtgeschirre auf das Dach des Stalles im Badhaus entleert worden seien, wodurch der ekelhafte Geruch entstehe. Die Sache wurde untersucht und für richtig befunden. Der Restaurateur wurde am 30 Juli 1884 polizeilich angewiesen, für Abhilfe zu sorgen.

Diese kleinen lokalgeschichtlichen Reminiszenzen sind zwar keine weltbewegenden Ereignisse, geben aber einen Einblick in die bürgerlichen, wenn auchmanchmal etwas delikaten Verhältnisse in der sogenannten guten alten Zeit in Wiesbaden vor etwa 60 Jahren.

Karl Urban – 13. April 1939)
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Die Gemeindebadgasse 2. Teil
von Karl Urban
Wiesbadener Tagblatt vom 25. April 1939
Die Frage: „Wo lag das alte gemane Bad?“ scheint wohl manchem Leser als überflüssig, denn jeder Wiesbadener, der nur ein wenig die Lokalgeschichte kennt, weiß, daß das Gemeindbad im Gemeindbadgäßchen lag, das nach ihm benannt wurde. Aber nur ganz wenige alte Wiesbadener, etwa die 65 – 70jährigen werden sich vielleicht entsinnen können, wo das alte Gemeindebad im Badegäßchen gestanden hat. Es lag nicht an der Stelle des heutigen Gemeindebades, sondern südlich von ihm auf der anderen Seite des Gässchens und sein Baugelände wurde zum Teil von dem neuen Gemeindebadhaus überbaut, zum Teil von der heutigen Gemeindebadgasse überschnitten. Wenn man vor 1884 von der Langgasse kommend, das Badegäßchen durchwanderte, so lag das alte Bauhaus links an der Straße, während das neue Bad heute rechter Hand liegt.
Auch das Gemeindbadgäßchen hatte früher einen anderen Lauf wie heute. Die Umgestaltung läßt sich in ihrer Kompliziertheit nicht eindeutig genug in Worten darstellen. Wir verweisen daher zunächst auf die Planzeichnung I, die uns die Lage des früheren Badegäßchen mit dem alten gemeinen Bad klar kennzeichnet.
Das Gemeindebadhaus bildete ein Eckhaus mit einem Stockwerk, indem sich die Straße nach links wandte. Es stand also mit seiner Hauptfront nach Nordosten. An der Nord-Westwand befand sich ein Laufbrunnen für den öffentlichen Gebrauch (Plan I, Ziffer 2), der sein Thermalwasser vom Schützenhof erhielt. Das alte Bauhaus hatte an seiner Rückseite einen Hof mit einem Stallgebäude. Die eigene Quelle des Gemeindebades ist auf Plan I unter Ziffer 4 eingezeichnet.
Nördlich von dem Gemeindebad (Plan 1, Ziffer 3) lag das Anwesen des Schornsteinfegers Jersabeck. Es wurde an der Süd- und Westseite von dem Badgäßchen begrenzt und bestand aus einem Vorderhaus und einem Hintergebäude mit Hof, der nach Süden durch eine lange Mauer von der Straße abgeschlossen wurde. Die Laufrichtung der Badgasse war eine ganz andere, die Querverbindung lag viel weiter nördlich als heute. Man vergleiche die Fluchtlinie in Plan I und II.

Die Erbauung des neuen Gemeindebades und die Umgestaltung des Gemeindebafgässchens

Die bis 1884 bestandene Baugestaltung der Gemeindebadgasse hat durch die Erbauung des neuen Gemeindebades eine vollständige Umgestaltung erfahren. Um genügend Platz zu schaffen für den projektierten großen Neunau beschloß die Stadtgemeinde zunächst das Anwesen Jersabecks zu kaufen und dessen Gebäulichkeiten niederzulegen.
Die Genehmigung wurde vom Polizeipräsidenten erteilt und nunmehr die Jersabeckschen Häuser abgelegt. Ebenso wurdeauch das alte Gemeindebadhaus samt dem Hofgebäude niedergelegt. Somit entstand in der Mitte des Badegäßchens ein langgestrickter freier Platz, der größtenteils als Bauplatz für das neue Gemeindebad, teils wieder zur Anlage der Straße Verwendung fand. In zwei Eingaben am 11. und 27. September 1884 wurde der Antrag zur Erbauung des neuen Gemeindebades an die Baupolizeibehörde eingereicht und merkwürdigerweise heißt es in der letzteren Eingabe: „Gesuch zur Erbauung eines Armenbades.“ Daraus ergibt sich, daß das neue Bauhaus bei seiner Entstehung noch als Armenbad, das heißt für Minderbemittelte Verwendung finden sollte.
Das neue Gemeindbad wurde an die Süd-Westseite (Rückseite) des Schützenhofes angelehnt und mit demselben durch Zugänge verbunden. Es bedeckte in seiner neuen Planierung (siehe Plan II mit schraffierter Umrandung) nicht nur das Jersabecksche Gelände, sondern auch das obere querführende Stück des Badgäßchens und fast die Hälfte des Geländes des alten Badhauses. Die Verlegung des neuen Gemeindebades auf die rechte Seite der Badgasse war bedingt durch die notwendige Angliederung an den Schützenhof, wodurch eine technische Vereinfachung der Wasserzuführung von der Schützenhofquelle zu den neuen Bädern des Gemeindebades und eine gemeinschaftliche und vereinfachte Betriebsführung ermöglicht wurde.
Das neue Gemeindebadhaus wurde 1884/85 von der Stadt Wiesbaden erbaut. Es ist ein langgestricktes schmuckloses Geb#ude mit Blendsteinfassade, mit einem Stockwerk und einem ausgebauten Dachstock. In der ersten Bauzeichnung war der Dachstock nicht vorgesehen, und er wurde erst nachträglich beantragt, um wohnfähige Räumlichkeiten zu schaffen. Die südwestliche Ecke des Badhauses wurde abgeschrägt, um die Querstraße an ihrer Umbiegung nach oben zu erweitern, und einen freien Eckplatz zu schaffen für die Anlage eines Trinkbrunnens. Das neue Bad ist 21,50 Meter lang und in seinem südlichen Teil etwa 7,60 Meter breit, also fast doppelt so lang als das alte Gemeindebad, das nur 12,26 Meter lang und nur 5,20 Meter tief war. In dem neuen Gemeindebad waren ursprünglich 21 Einzelbäder vorgesehen, während das alte Bauhaus nur 8 Bäder besaß. Heute zählt das Gemeindbad noch 17 Einzelbäder, die sich in einer tadellosen sanitären und baulichen Verfassung befinden. Zum größten Teil wurden die Badebecken 1938/39 neu gekachelt, die Erneuerung wird bis zur letzten Kabine fortgesetzt. Für die Badenden stehen zwei Ruheräume und die Trinkhalle mit dem Laufbrunnen zur Verfügung. So ist aus dem einst so bescheidenen Armenbad ein wohlgepflegtes, hygienisch einwandfreies und modernes Bauhaus entstanden, das zu verbilligtenVorzugspreisen auch dem Minderbemittelten Gelegenheit gibt, die Thermalbäder zu benutzen. Es ist somit im Sinne seines ursprünglichen Entstehens als „Burgerbad!, das etwa auf eine 700jährige Vergangenheit zurückreicht, im wahrsten Sinne des Wortes ein Gemeindebad geworden.

Zwei Thermaltrinkbrunnen im Gemeindebadgäßchen.

Schon bei der Beschreibung des alten Gemeindebades haben wir darauf hingewiesen, daß am dessen Nordwestseitw ein Trinkbrunnen zum öffentlichen Gebrauch bestand (Plan I, Ziffer 2). Dieser Brunnen verschwand 1884 mit der Niederlegung des Badhauses. Nach der Errichtung des neuen Gemeindebades wurde auch die Anlage eines neuen Trinkbrunnens in die Wege geleitet. Am 20 Juli 1885 erfolgte der Antrag auf Errichtung eines Thermalbrunnens im Gemeindebadgäßchen, der am 4. August 1885 genehmigt wurde. Der neue Trinbrunnen wurde nun in der südwestlichen Ecke des Gemeindebadgäßchens errichtet (Plan II, Ziffer 2), und bestand 52 Jahre lang. Da er nur noch wenig benutzt wurde, und das Thermalwasser stark abgekühlt zum Auslauf gelangte, erfolgte 1937 seine Schießung und Beseitigung. Damit war die Idylle im stillen Winkel des Badegäßchens verschwunden, und das Brünnlein wird nur noch als eine Erinnerung an die frühere Zeit bei den Anwohnern, die ihn so oft benutzten, weiterleben. Um sein Bestehen auch bei kommenden Geschlechtern unvergessen zu machen, haben wir ihm dieses kurze Gedenkwort gewidmet.

Hatte das Gemeindebad eine eigene Quelle?

Wie wir bereits berichteten, wurde sowohl das Gemeindebad wie auch der öffentliche Trinkbrunnen in der Gemeindebadgasse von der Schützenhofquelle gespeist. Jedoch besaß auch das Gemeindbad eine Zeitlang eine eigene Quelle, die im älteren Schrifttum erwähnt wird. So berichtet Dr. J. K. W. Vogler, Herzogl. Nass. Brunnen- und Badearzt, in seinem Quellenbuch (1848), Seite 366: „1834 erhielt das Gemeindebad eine etwas verbesserte und erweiterte Gestalt, auch wurde seinem Wasserantheil eine neu gefundene und gefaßte Quelle zugefügt“. Bei der Aufzählung der Thermalquellen Wiesbadens wird auch die Quelle des Gemeindebades erwähnt. F. W. E. Roth führte die Quelle des Gemeindebades besonders als Nr. 31 auf. Direktor Ernst Winter berichtet ebenfalls in seinem Werkchen: „Die Thermalquellen Wiesbadens in technischer Beziehung“, München 1880, über die Quelle des Gemeindebades. Er hat auch in der Festschrift für die Tagung der Architekten und Ingenieure in Wiesbaden 1880 im Ergänzungsheft (Zeitschrift für Baukunde) in einem Situationsplan, Blatt XIV, des Thermalquellen Wiesbadens, die Quelle des Gemeindebades in der Ecke des Gemeindebadgäßchens eingezeichnet. Sie Lage der Quelle in unserer Zeichnung Plan I, unter Ziffer 4. Diese Quelle wurde jedoch später, wie so viele andere Thermalquellen Wiesbadens, eingedeckt un ist nicht mehr in Benutzung.

Umlegung und Erweiterung der Gemeindebadgasse.

Der Neubau, die Verlegung und erhebliche Vergrößerung des Gemeindebadhauses, verbunden mit der Niederlegung des alten Badhauses und des Jersabeckschen Anwesens bedingte auch eine Umlegung und Verbreiterung des Gemeindebadgäßchens. Gerade der mittlere Straßenteil wurde vollständig in seiner Lage und Laufrichtung verändert. Die Querverbindung, die früher im oberen Drittel der Straße nach Südwesten führte, liegt jetzt weiter südlich. Der von der Langgasse geradeaus nach Norden führende Straßenteil war vor der Umlegung etwa doppelt so lang wie heute. Die heutige und frühere Laufrichtung der Gemeindebadgasse ist aus den beigefügten Plänen zu ersehen.
Nicht unerwähnt soll bleiben, daß das Gemeindebadgäßchen, wie aus den alten Plänen ums Jahr 1800 zu ersehen ist, außer dem oberen Zugang zum Michelsberg noch einen zweiten Zugang zu demselben hatte. Er lag etwas mehr südlich und führte von der Mitte der Badgasse, von dem früher offenen Hofe hinter dem Gemeindebadhaus, der damals noch ein Straßenteil war, zum Michelsberg. (siehe Plan I unter Reul.) Durch die baulichen Veränderungen konnte auch der mittlere und obere Teil des Badgäßchens von 2 Meter auf 3,50 bis 4 Meter verbreitert werden. Nach Anlage des Brunnens (1885) in der Ecke der Gemeindbadgasse, erfolgte auch die Neupflasterung des Gemeindebadgäßchens. 1909 wurde auch im Hofe des Gemeindebades ein unterirdischer Thermal-Kühlwasserbehälter eingebaut. Damit beschließen wir unsere Ausführung über das Gemeindebad, das seine heutige Gestaltung der Fürsorge unserer Stadt verdankt.

Karl Urban – 25. April 1939




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Karte von 1875
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